Anja Karliczek verschweigt Darlehen-Details auf Kosten der Studierenden
Nach wochenlangem öffentlichem Druck präsentierte Anja Karliczek letzte Woche ein KfW-Darlehen als große und neue Lösung für die Corona-bedingten Geldsorgen der Studierenden. Nach und nach kommt nun heraus: Es handelt sich um eine Mogelpackung. Den Studienkredit der KfW-Bank gibt es schon seit 2006 – die Bedingungen zur Aufnahme dafür werden in der Krise nicht angepasst.
„Das von Frau Karliczek vorgestellte Modell zeichnet sich angeblich durch Zinsfreiheit aus. Das stimmt aber tatsächlich nicht!“ ärgert sich Amanda Steinmaus vom studentischen Bundesverband fzs. „Nur im ersten Jahr übernimmt der Staat die anfallenden Zinsen. Danach fallen auf den gesamten Betrag des Darlehens ganz normal Zinsen an.“
Katrin Lögering vom Landes-Asten-Treffen NRW (LAT NRW) rechnet exemplarisch für eine Auszahlungsphase von 12 Monaten vor: „Die Zinsen, die der Bund in diesem einen Jahr bis zum März 2021 übernimmt, betragen maximal 152,65 €. Die Zinslast, die sich danach bis zur Abzahlung des Kredits (inklusive der rund 500€ Zinsen während der 18-monatigen Karenzphase) anhäuft, muss von den Studierenden getragen werden – Dabei handelt es sich um 3631,95 € Zinsen bei einer Tilgungsrate von 50€ im Monat nach der Karenzphase und damit um eine Gesamtzinslast von rund 4100€. Je schlechter es den Studierenden finanziell geht, desto höher die Zinslast – auch in der Krise!“
„Auch ansonsten scheinen die normalen Konditionen eines KfW-Studienkredits zu gelten. Das bedeutet insbesondere, dass die Rückzahlung nach 1,5 Jahren, also meist schon während des Studiums, beginnt“, ergänzt Nathalie Schäfer, Sprecherin des Bundesausschusses der Studentinnen und Studenten der GEW (BASS). „Für Studierende, die den Weg in die Schulden wagen, wird es so nach der Krise kaum möglich sein, normal zu studieren – wenn sie nicht sogar aufgrund der Schulden ihr Studium abbrechen. Andere Studierende werden vor den Schulden zurückschrecken und schon jetzt das Studium abbrechen.“
Paul Senf, Sprecher der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS), erklärt: „Nicht nur die Konditionen des KfW-Kredits sind problematisch. Auch die Voraussetzungen dafür bleiben unverändert. Das heißt, Studierende über dem 10. Semester oder Studierende, die einen anderen Studienkredit noch nicht abbezahlt haben, bekommen keinen Kredit als „Überbrückungshilfe“ in Zeiten von Corona. Dadurch fallen viele betroffene Studierende weiter durchs Raster. Damit bricht Ministerin Karliczek ein weiteres Versprechen, dass allen Studierenden in Not geholfen wird.“
Die zunächst verschwiegenen Details sind jedoch nicht der alleinige Kritikpunkt, sagt Vanessa Gombisch vom Bundesverband ausländischer Studierender (BAS): „Die Darlehenslösung an sich ist hochproblematisch. Insbesondere internationale Studierende stehen vor einer unmöglichen Aufgabe. Sie sollen sich verschulden, um die Krise zu überstehen. Nach der Krise sind sie faktisch gezwungen, mehr zu arbeiten als es ihnen gesetzlich erlaubt ist. Sie müssen dann ja den Kredit abbezahlen und zugleich Miete und Essen finanzieren. Das geht nur, indem sie ihren Aufenthaltsstatus riskieren, um ihn zu behalten – paradox.“
Die Höhe des ebenfalls angekündigten Nothilfefonds ist ungeeignet, um die vielen Probleme mit der Darlehenslösung aufzufangen. Jonathan Wiegers, Sprecher der Brandenburgischen Studierendenvertretung (BRANDSTUVE) dazu: „Wir gehen von etwa 750.000 Studierenden in finanziellen Notlagen aus. Selbst wenn nur ein kleiner Teil davon, beispielsweise 125.000 Menschen, eine Zahlung aus dem Fonds erhielte, entspräche das pro Person einer Einmalzahlung in Höhe von 800 €. Das reicht knapp für einen Monat. Es ist also nicht einmal genug, um die aufgebauten Schulden aus den vergangenen beiden Monaten auszugleichen.“