Das Studium an der Uni ist “theoretisch”, dass an der FH “praktisch” … so lautet eine allgemein angenommene Faustregel für die Unterscheidung zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Auch wenn es an beiden Hochschultypen Bachelor- und Masterstudiengänge gibt, die Strukturen des Studienverlaufs ähnlich sind und an beiden akademische Abschlüsse vergeben werden, so sollten Fachhochschulen näher an der Praxis, näher an der Wirtschaft sein (vgl. Daum 2018; Kirsten & Srikiow 2017)! Sie sollen somit den Bedarf an Fachkräften nachkommen, die auf einer wissenschaftlichen Grundlage mit Ausrichtung auf die berufliche Praxis ausgebildet werden (vgl. Smitte et al. 2017, S. 10). Entsprechend dieser Differenzierung scheinen Studierenden ihre Wahl für diesen Hochschultypen zu treffen (vgl. Weich, 2017).
So wie die theoretischen und medialen Feststellungen sind, gleichen sich auch unsere individuellen Erfahrungen an den Fachhochschulen. Kommiliton*innen berichten regelmäßig darüber, dass sie sich wegen des praxisnahen Studiums für eine FH entschieden haben. Viele Kommiliton*innen an den Fachhochschulen verfügen bereits über erste Berufserfahrung entsprechend ihrer Disziplin. Und ein häufiges kritisches Feedback zu Seminaren an den Fachhochschulen der Studierenden ist, dass ihnen ein Bezug zur Praxis fehlt oder es als zu praxisfern einschätzen (viel mehr, als dass es die Beschwerde gibt, dass zu wenig Theorie vermittelt wird).
Um den Ansprüchen eines praxisnahen Studiums gerecht zu werden, sehen die Berufungssatzungen für FH-Professuren Berufserfahrungen von drei Jahren vor und eine Doppelqualifikation in Wissenschaft als auch außerhochschulischen Praxis (vgl. Smitte et al. 2017: S. 10; §41 Abs. 4, Punkt b BbgHG). Dafür sind jedoch bisher keine systematischen Wege definiert (Smitte et al. 2017, S. 102). Dies zeigt sich zu einem in dem Mangel an ausreichenden Bewerbungen auf ausgeschriebene FH-Professuren bis hin zu nicht zustande kommenden Berufungen aufgrund eines Mangels an ausreichenden Nachweisen für einen der beiden Schwerpunkte (vgl. Smitte et al. 2017, S. 7, GEW 2016).
Dieses können wir als Studierendenvertretungen der Fachhochschulen bestätigen. Es erreicht uns oft Unmut und Unverständnis von den Studierenden aus Lehrproben innerhalb von Berufungsverfahren und studentischen Vertreter*innen in den Berufungskommissionen, dass die favorisierten Bewerber*innen der Studierenden (aufgrund von den vorgestellten Themen, didaktischen Durchführungen und insbesondere der praktischen Bezüge) nicht berufen werden können. Oft durch den Mangel von formal verlangten wissenschaftlichen Qualifikationen und Nachweisen. Besonders schwerwiegend zeigt sich das auch bei uns im Land in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, wo Bewerber*innen oft eine für Studierenden relevanten praxisnahen Hintergrund mitbringen, aber den wissenschaftlichen Teil der Doppelqualifikation nur unzureichend erfüllen (vgl. BMBF 2017). Durch das Nichtberufen von Professor*innen spitzt sich mittlerweile die Situation zur personellen Besetzung in der Lehre an einigen der Fachhochschulen derart zu, dass Studierendenvertretungen aus den Fachbereichen regelmäßig gegenüber Fachbereichsräten als auch den Allgemeinen Studierendenausschüssen Sorgen mitteilen, ob die benötigte Lehre künftig ausreichend personell gedeckt werden kann.
Vor dem Hintergrund der angespannten Lehrpersonal-Situation an den Fachhochschulen, der anhaltend schlechten Bewerber*innenlage auf Professuren und den dann oft langwierigen und zähen, kritischen Auswahlprozessen ist es für die Studierendenvertretungen und die Studierendenschaften besonders unverständlich, dass nachdem alle relevanten Gremien bis hin zum Hochschulsenat und Hochschulleitung einer Berufung von Bewerber*innen zugestimmt haben, es sich das Ministerium in letzter Zeit vermehrt vorbehalten hat, Berufungen nicht zuzustimmen und somit zu verhindern.
Forderungen und Empfehlungen:
Um das Angebot einer praxisnahen Hochschulausbildung für die Studierenden aufrecht zu erhalten, fordern wir das Ministerium für Wissenschaft und Forschung im Land Brandenburg dazu auf
- bei ausstehenden Entscheidungen über Berufungen von FH-Professuren die Sicht der Studierenden mit zu bedenken, die an Fachhochschulen eine praxisnahe Hochschulausbildung erwarten
- abgewiesene Berufungen neu zu überdenken, den Hochschulen und ihren Auswahlgremien (insbesondere den Einschätzungen der studentischen Vertreter*innen) zu vertrauen und somit die Autonomie der Hochschulen zu beachten
- Eine vorübergehende Lösung für die Berufungen zu finden, um das anhaltende Problem der fehlenden Doppelqualifikation aufzugreifen. Zum Beispiel es zu ermöglichen, dass Nachwuchsprofessuren an den Fachhochschulen geschaffen werden wie es das DZHW vorschlägt, um über diese Stellen Lehrkräfte für besondere Aufgaben zu gewinnen, die der weiteren Qualifikation der*des Stelleninhabers*Stelleninhaberin auf die Übernahme einer vollwertigen Fachhochschulprofessur dient (vgl. Smitte 2017, S. 105)
Darüber hinaus möchten wir das MWFK darum bitten, folgende Handlungsempfehlungen und -forderungen verschiedener Institutionen in Betracht zu ziehen - Autonomie der Hochschulen bei Berufungen anerkennen und nach bestens Gewissens zu unterstützen, wie es die HRK fordert (vgl. HRK 2011)
- Strukturierte Karrierewege für Professuren an Fachhochschulen aufbauen, wie es das DZHW vorschlägt. Insbesondere für den Erwerb der Doppelqualifikation in Fächern, wo es kein universitäres Pendant gibt (vgl. Smitte 2017, S. 102; HRK 2013; Wissenschaftsrat 2016)
- Förderung von berufsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahmen wie es die HRK vorschlägt, die dem Erwerb von hochschuldidaktischen Kompetenzen dient (vgl. HRK 2013)
- Die Erprobung neuer Formen der wissenschaftlichen Qualifizierung für eine Professur an einer FH wie es die HRK vorschlägt, insbesondere für Fächer die nicht an Universitäten gelehrt werden (vgl. HRK 2013)
- Das Einholen von praxisnahen Wissen und Erfahrungen von herausragenden Praktiker*innen als Teil der Third-Mission zu sehen. Diese können für Studierende eine Vorbildwirkung besitzen, es ihnen gleichzutun und das erlangte Wissen im Sinne für die Gesellschaft einzubringen
Der Sprecher*innenrat i. A. für die Brandenburgische Studierendenvertretung (BrandStuVe)
Literaturverzeichnis:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (30.05.2017): Bewerbermangel für Professuren an Fachhochschulen. Online verfügbar unter https://www.bmbf.de/de/bewerbermangel-fuer-professuren-an-fachhochschulen-4256.html, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
Brandenburger Landtag: Brandenburgisches Hochschulgesetz. BbgHG, vom 28.04.2014. Online verfügbar unter http://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbghg, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
Daum, Matthias (2018): Verliebt in die Theorie. In: Die ZEIT 2018, 18.01.2018 (04). Online verfügbar unter https://www.zeit.de/2018/04/hochschulen-fachhochschulen-neue-universitaeten-praxisorientierung/komplettansicht?print, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
GEW (2016): Personalentwicklung an Fachhochschulen. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Online verfügbar unter https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/personalentwicklung-an-fachhochschulen/, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
HRK (2016): Grundsätze für ein nachhaltiges Bund-Länder-Programm zur Gewinnung von Professorinnen und Professoren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) bzw. Fachhochschulen (FH). Hochschulrektorenkonferenz. Online verfügbar unter https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/grundsaetze-fuer-ein-nachhaltiges-bund-laender-programm-zur-gewinnung-von-professorinnen-und-professore/, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
HRK (2011): Hochschulautonomie. Hochschulrektorenkonferenz. Online verfügbar unter https://www.hrk.de/themen/hochschulsystem/hochschulautonomie/, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
Kirsten, Nadja; Srikiow, Lisa (2017): Uni und FH: Was unterscheidet sie? In: ZEIT Studienführer 2017, 25.11.2017. Online verfügbar unter https://www.zeit.de/campus/studienfuehrer-2017/hochschulen-universitaet-fachhochschule-unterschiede, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
Smitte, Susanne in der; Sembritzki, Thorben; Thiele, Lisa; Kuhns, Johannes; Sanou, Amadou; Valero-Sanchez, Marco (2017): Bewerberlage bei Fachhochschulprofessuren (BeFHPro). Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Online verfügbar unter https://www.dzhw.eu/pdf/pub_fh/fh-201703.pdf, zuletzt geprüft am 11.02.2018.
Weich, Miriam (2017): Hochschultypen und duales Studium: Über Image- und Studierendenunterschiede in einer zunehmend ausdifferenzierten Hochschullandschaft. Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Wissenschaftsrat (2016): Empfehlungen zur Personalgewinnung und -entwicklung an Fachhochschulen. Wissenschaftsrat. Online verfügbar unter https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5637-16.pdf, zuletzt geprüft am 11.02.2018.